Tag 78
In meinem Kopf ist nur der letzte große Berg. Ob ich heute oben ankommen werde weiß ich nicht. Es gibt auf jeden Fall eine Herberge am Hang, welche ich als Zwischenstation benutzen kann. Das Profil sieht folgendermaßen aus:

Die App gibt 1650hm an. Für mich sieht es aber nach weniger aus. Trotzdem viel.
Los geht die Fahrt. Ich fahre durch die rot-gelben und gelb-grünen Weinberge. Die Welt ist in Nebel gehüllt. Die Strecke ist in der Tat hügelig, aber meinen Beinen geht es gut.
Als sich der Nebel schleierhaft verzieht, kommt die wunderschöne, bergige Herbstlandschaft ganz zum Vorschein.

Im letzten Supermarkt vor dem Berg kaufe ich meine Zuckerausrüstung (wieder keine Bananen). Mit zwei Litern Wasser will ich auskommen.
Wie eine Pforte erscheint mir der Tunnel, der mich zu meiner Herausforderung in die Berge führt.

Auf einer kurvigen Straße, parallel zur Autobahn fahre ich im Tal in Richtung Anstieg. Ich weiß, irgendwann wird es steil.
Nach ein paar Kilometern komme ich an eine Weggabelung. Ich habe die Wahl rechts auf der Straße zu bleiben, welche sich gleichmäßig die Berge hochschlängelt, oder links abzubiegen und eine kürzere, steilere Straße zu nehmen. Die steile Option ist außerdem als Jakobs-Radweg mit Muscheln gekennzeichnet.
Ich entscheide mich links, den steileren Berg hochzufahren. Der ist wirklich steil, merke ich. Nicht nur im ersten Gang, sondern auch in Schlangenlinien fahre ich gefühlt senkrecht den Berg hoch. Im vergleich zu gestern habe ich heute einen Berg vor mir, der auch wie einer aussieht.
Schnaufend fahre ich Meter für Meter hoch. Meine Beine haben ordentlich Power. Trotzdem mache ich ab und zu eine kurze Pause.
Nach ein paar hundert Höhenmetern esse ich Mittag. Meine Laune ist super, denn bis jetzt habe ich Podcast gehört.
Immer wenn ich mich für längere Zeit aufhöre zu bewegen, merke ich, wie kalt es eigentlich ist.
Als ich weiter fahre habe ich erstmal wieder eine Jacke an, bis der Körper wieder warm ist.
Ich breche aus dem Wald und drehe mich um:

Auf dem Boden steht: „Bar in 1000m“. Das muss die Herberge sein. 500m vorher mache ich aber nochmal Pause. Es fängt an zu regnen.
Die Regensachen sind schnell angezogen und ich fahre weiter, vorbei an der Bar und vorbei an der Herberge. Das ist nicht das Ende meines Tages. Jetzt werde ich nicht anhalten, denn es kann nichtmehr weit sein…
Und dann ist es soweit:


Abfahrt! Dann noch ein Anstieg und wieder bergab. Mehrmals wird die große Abfahrt angedeutet, aber immer wieder geht es doch nochmal hoch.
Ich sehe einen weiteren Anstieg. Er ist länger als alle anderen. Das heißt, das muss der Letzte sein. Wieder fängt es an zu regnen. Teilweise bekomme ich sogar Hagelkörner ab. Kurz darauf ist es geschafft!

Das Wetter wechselt alle 10 Minuten. Auf dem Berg habe ich ein fantastisches Panorama.

Jetzt geht‘s ab! Wieder über 14 Kilometer Abfahrt. Die Straße ist perfekt und es ist ein Genuss. Die Sonne wärmt mich und trocknet gleichzeitig die Regensachen. Nur muss ich zwei Mal aufpassen, dass ich nicht von einer Windböe von der Straße geweht werde.
Unten am Berg angekommen lege ich mich auf eine Bank in die Sonne. Erst jetzt merke ich, wie erschöpft ich eigentlich bin: Alles dreht sich. Ich beschließe hier in Triacastela in einer Herberge zu bleiben…
2 Gedanken zu „Tag 78“
Hola Arthur,
nach langer Pause komme ich mal wieder dazu, Deinen Blog zu lesen. Liest sich wie ein Abenteuerroman – sehr spannend, was Du schon alles erlebt hast! Großen Respekt, wie Du Dich auch bei Gegenwind, steilen Bergen und regnerischem Wetter weiter vorankämpfst.
Jedenfalls ganz toll! Ein kleines bißchen beneide ich Dich und frage mich, ob ich das in meinem Alter auch noch machen könnte – vermutlich auf jeden Fall etwas gemächlicher😀🚴🏻♂️😍👍🌞
Hallo Jürgen,
es freut mich, dass dir der Schreibstil gefällt.
Selbstverständlich ist eine solche Reise in deinem Alter noch möglich. Ich habe schon mehrere Radreisende in deinem Alter getroffen.
Das Tempo ist natürlich individuell und jeder fährt so schnell wie er will.
Ich mache so viele tolle Erfahrungen, dass mir der Wind, Regen und die Berge eher egal sind. Ohne diese Herausforderungen würde ich auch nicht wachsen und irgendwie währe es auch langweilig. Es ist nunmal ein Abenteuer!
Ich freue mich schon auf viele Dinge, die ich noch erleben werde. Aber ich will nichts verraten 😉
Liebe Grüße
Arthur